Von Pilzköpfen,

Modeikonen &

Baukünstlern

KULTUR & ARCHITEKTUR Musik, Philosophie und Design können weltverändernde Kräfte freisetzen. Wenn Töne, Gedanken und Ideen eine solche Wirkung erzielen, stehen dahinter meist besonders eindrucksvolle Persönlichkeiten.

ZAHA MOHAMMAD HADID

GRANDE DAME DER ARCHITEKTUR


1980 gründete die Irakerin Zaha Hadid ein Büro, mit dem sie die Architekturwelt komplett umkrempeln sollte. Die von ihr entworfenen Gebäude wirken oft, als straften sie die Schwerkraft Lügen oder als wollten sie sich einer vernünftigen Nutzung entziehen. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Gebäude völlig neu denken, sich der langweilig gewordenen Postmoderne entziehen. Das war das Anliegen der Architektin, Architekturprofessorin und Designerin Zaha Hadid, die 2016 im Alter von nur 65 Jahren starb. Zwar gewann sie bereits 1983 100.000 Dollar Preisgeld mit einem als horizontalen Wolkenkratzer gestalteten Freizeitpark in Hongkong, doch erst 1993 wurde einer ihrer Entwürfe erstmals auch realisiert: das Gebäude einer Werksfeuerwehr in Weil am Rhein mit schrägen, spitzwinklig zulaufenden Wänden. Dazu kamen Objekte wie die Oper in Guangzhou, das MAXXI-Museum in Rom oder das Messner Mountain Museum auf dem Kronplatz-Gipfelplateau – die auch in Zukunft noch vom Geist der Visionärin erzählen werden. Ähnlich dekonstruktivistische Entwürfe kennt man von Frank O. Gehry oder Daniel Libeskind. Doch Hadid konnte auch fließende Formen umsetzen. Sie blieb in ihrer Zunft immer eine Ausnahme und musste in einer von weißen Männern dominierten Branche stets für ihre Karriere kämpfen. Das verschaffte ihr reichlich Anerkennung. 2004 erhielt sie als erste Frau überhaupt den Pritzker-Preis, die bedeutendste Ehrung in der Architektur.

IMMANUEL KANT

WELTVERÄNDERER OHNE WELTERFAHRUNG


Mit Statements wie „Sapere aude – Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen“ leitete Kant die Aufklärung ein. Ein Wendepunkt in der Philosophie, der bis heute fortwirkt.

Ein Kosmopolit war Immanuel Kant sicher nicht. Die Region Königsberg in Preußen, wo er geboren wurde, aufwuchs und starb, hat er kaum je verlassen. Dennoch hat er die Welt allein mit der Kraft seiner Gedanken verändert. Kein anderer Denker seiner Zeit war so einflussreich, und kein anderer hat die Philosophie so erschüttert wie der „Weise aus Königsberg“. 1781 veröffentlichte er sein wichtigstes Werk „Kritik der reinen Vernunft“ zur Erkenntnistheorie. Kant forderte, die Menschen sollten Verantwortung für ihr eigenes Handeln übernehmen, anstatt sich von anderen, Gott eingeschlossen, anleiten zu lassen. Tatsächlich hat er die Philosophie von der Religion emanzipiert. Seine Gedankenwelt gefiel nicht jedem, im fortschreitenden Alter hatte er unter anderem mit der preußischen Zensurbehörde zu kämpfen. Aber die Gedanken sind frei. Und so inspiriert der 1804 Verstorbene bis heute zahlreiche Philosophen.

COCO CHANEL

STILIKONE MIT WEITBLICK


Wer bei Coco Chanel nur an das Chanel-Kostüm, das „Kleine Schwarze“ oder den bald 100 Jahre alten Parfümklassiker „Chanel Nº 5“ denkt, wird dieser besonderen Frau nicht gerecht. Denn sie gehörte auch zu den Feministinnen der frühen Stunde.

Ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen schafft es als gefeierte Designerin nach Paris. Und sorgt maßgeblich dafür, dass sich zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts eine ganze Frauengeneration von den äußeren Zwängen des Korsetts befreite. Nicht nur eine modische Entscheidung, sondern ein Akt der Emanzipation, der nicht ohne Konsequenz auf das weibliche Selbstverständnis blieb. Mit dem Chanel-Kostüm schuf sie so etwas wie die Standarduniform der modernen Geschäftsfrau. Gleichzeitig war sie aber auch Feministin. Frauen sollten nicht länger Dekorationsgegenstand ihrer Männer sein, sondern im Wortsinn eigenwillig. Das charakterisiert Frauen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. So wie es Chanel tat. Sie blieb bis zu ihrem Tod mit 87 Jahren unverheiratet, verzichtete aber durchaus nicht auf männliche Begleitung. Und lebte privat wie geschäftlich vor, dass eine Frau in jeder Hinsicht eigenständig sein kann – wenn sie bereit ist, den Preis dafür zu zahlen.

Vorkämpferin für die Eigenständigkeit der Frau: Coco Chanel bei der Arbeit 1930

Totale Begeisterung: Fans beim Beatles-Konzert in Essen, 1966

THE BEATLES

SOUND EINER NEUEN GENERATION


Sie kamen aus dem Rock ‘n‘ Roll, ihre erste Single hieß „Love Me Do“, aber ihr Stil veränderte das Musikempfinden von Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Verantwortlich dafür sind vier Jungs aus Liverpool, die ihr erstes Konzert unter dem Namen „The Beatles“ im Hamburger Rotlichtviertel St. Pauli gaben.

Was mit relativ harmlosen Beat-Textchen begann, entwickelte sich zu einem Musikphänomen, das in der Folge alle Genres der Pop- und Rockmusik beeinflusste. Entscheidend dafür war, dass die Beatles ab 1964 selbst begannen, sich weiter zu entwickeln und mit anderen Musikstilen zu experimentieren. Als sich John Lennon, Paul McCartney, Ringo Starr und George Harrison 1970 trennten, hatte die Musik der Beatles unterschiedlichste Stilrichtungen bedient: von Rock ‘n‘ Roll, Beat und Balladen über Country, Folk, Music Hall und Blues bis zu Psychedelic Rock, klassischer Musik und auch Hardrock. Eindrucksvoller Beleg dafür ist die 1968 veröffentlichte Doppel-LP „The Beatles“, auch „White Album“ genannt, mit dem die Band noch einmal ihr gesamtes musikalisches Spektrum demonstrierte. Die Musik kommt bis heute an. Einschließlich 2019 hat das Quartett weltweit rund eine Milliarde Tonträger verkauft. Nicht mehr so angesagt ist allerdings der 1962 kreierte Haarschnitt der Band, dem die Beatles ihren Spitznamen „Pilzköpfe“ verdanken.

MARGARETE SCHÜTTE-LIHOTZKY

KÜCHENENTWURF ALS SOZIALPROJEKT


Bauhaus-Architektur für jedermann: Die „Frankfurter Küche“ wird in der Metropole am Main in den 1920er Jahren als Standardküche in Tausende von Sozialwohnungen eingebaut. Als ihre Entwicklerin wird die junge Wiener Architektin Margarete Schütte-Lihotzky weltberühmt.

Die Wohnungsnot in Frankfurt veranlasste den damaligen Stadtbaurat Ernst May, über ganzheitliche Siedlungsprojekte im Bauhaus-Stil nachzudenken, die nicht nur funktional, sondern auch ästhetisch sein sollten. Für die entsprechenden Wohnungen bekam Schütte-Lihotzky den Auftrag, ein Küchensystem zu entwerfen, das Design mit hoher Funktionalität und Bezahlbarkeit vereint. Diese „Frankfurter Küche“ ist nicht für das gehobene Bürgertum gedacht, sondern für die untere Mittelschicht. Bis 1930 werden allein in Frankfurt 10.000 Wohnungen mit ihr ausgestattet. Als Prototyp der Einbauküche kann sie sich mit ihrer starren Konzeption aber nicht flächendeckend in Deutschland durchsetzen. In der Folgezeit wird das arbeitsoptimierte System zwar übernommen, die Küche jedoch maßgeschneidert. Bis heute hat sich an diesem Prinzip der Einbauküche nicht viel verändert. Der Urtyp findet sich mittlerweile unter anderem im New Yorker Museum of Modern Art.

Erfand die Einbauküche: Margarethe Schütte- Lihotzky, um 1935